KI-Überwachung am Hamburger Hauptbahnhof – Ethik, Recht und Alternativen

KI-Überwachung am Hamburger Hauptbahnhof – Ethik, Recht und Alternativen

Ethische Bewertung, politische Verantwortung und praktische Handlungsperspektiven

Veröffentlicht: 27. Mai 2025 Aktualisiert: 27. Mai 2025, 14:41 Uhr
Mathias Ellmann

Mathias Ellmann – Autor und Coach bei gerechte-selbstbehauptung.de

Einleitung

Der tragische Messerangriff am Hamburger Hauptbahnhof im Jahr 2025 hat bundesweit eine intensive Debatte über Sicherheit, Freiheit und den Einsatz moderner Überwachungstechnologien ausgelöst. Im Zentrum dieser Diskussion steht der Vorschlag, Künstliche Intelligenz (KI) zur präventiven Gefahrenabwehr im öffentlichen Raum einzusetzen – insbesondere zur Verhaltensanalyse und Risikoprognose.

Während Befürworter die Reaktionsgeschwindigkeit, Präzision und Skalierbarkeit von KI-gestützten Systemen hervorheben, warnen Kritiker vor:

Diese Webseite beleuchtet die ethische, rechtliche und sicherheitspolitische Dimension der aktuellen Entwicklungen. Unser Anspruch ist es, Orientierung zu schaffen – jenseits von Reflexen, Polarisierung und vereinfachender Technikbegeisterung.

Zielsetzung dieser Webseite

Im Mittelpunkt steht eine normative Leitfrage:

Unter welchen Bedingungen darf KI zur Überwachung im öffentlichen Raum eingesetzt werden – und wie lassen sich Freiheit und Sicherheit in ein gerechtes Gleichgewicht bringen?

Dabei verbinden wir unterschiedliche Perspektiven:

Wir verstehen KI nicht als neutrale Maschine, sondern als sozio-technisches Ordnungsinstrument, das politisch verantwortet, rechtlich eingebettet und ethisch reflektiert sein muss.

Aufbau der Webseite

Die Inhalte sind in sieben zentralen Themenbereichen gegliedert. Jeder Abschnitt verbindet Faktenlage, Reflexion und Handlungsoptionen – mit dem Ziel, fundierte Urteilsbildung zu ermöglichen:

  1. Problem & Kontext – Was geschah in Hamburg, und was folgt daraus?
  2. Ethische Analyse – Wie bewerten wir Kontrolle, Würde und Verantwortung?
  3. Rechtlicher Rahmen – Welche Grenzen setzt das Grundgesetz?
  4. Technologische Realität – Was kann KI wirklich?
  5. Alternative Strategien – Welche Optionen gibt es jenseits von Überwachung?
  6. Vertrauensbildung & Dialog – Wie stärken wir das Miteinander im öffentlichen Raum?
  7. Fazit & Ausblick – Welche Weichenstellungen braucht eine gerechte Sicherheitskultur?

Die Webseite versteht sich als interaktive Plattform zur kritischen Aufklärung über den verantwortungsvollen Umgang mit KI in sensiblen gesellschaftlichen Bereichen. Sie soll Diskussion ermöglichen – und zum Nachdenken anregen.

Problemstellung und gesellschaftlicher Kontext

Die Debatte über KI-basierte Überwachung im öffentlichen Raum spiegelt ein zentrales Spannungsfeld unserer Zeit wider: technologische Machbarkeit versus demokratische Verantwortung. Auslöser ist ein tragisches Ereignis, das nationale Aufmerksamkeit erzeugte – und strukturelle Fragen nach dem richtigen Maß staatlicher Eingriffsgewalt aufwarf.

Der Vorfall: Am 23. Mai 2025 kam es am Hamburger Hauptbahnhof zu einem schweren Messerangriff, bei dem 18 Menschen verletzt wurden, vier davon lebensgefährlich. Die mutmaßliche Täterin, eine 39-jährige deutsche Staatsbürgerin mit psychischer Erkrankung, wurde am Tatort festgenommen und später in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Ermittlungsbehörden schließen politische oder religiöse Motive aus; der Vorfall deutet auf eine akute psychische Krisensituation hin.
Bericht des NDR

Der öffentliche Diskurs verläuft seither entlang folgender gesellschaftlicher Spannungsachsen:

Diese Fragen gehen über technische Debatten hinaus. Sie berühren das normative Fundament einer offenen Gesellschaft: Wie viel Kontrolle verträgt Demokratie? Und wie viel Vertrauen braucht Sicherheit?

Die daraus resultierenden Herausforderungen lassen sich weder allein technisch lösen noch politisch verordnen. Sie erfordern eine vertiefte ethische Auseinandersetzung mit den zentralen Fragen: Was dürfen wir tun – nur weil wir es technisch können? Und: Welchen moralischen Maßstäben muss sicherheitspolitische Innovation genügen?

Ethischer Bewertungsrahmen für KI-Überwachung

Eine rein funktionale Bewertung technischer Systeme greift zu kurz. Entscheidend ist die ethische Reflexion über deren Zweck, Wirkung und Legitimität. Dabei sind vier normative Leitlinien zentral, die sich aus klassischen und gegenwartsbezogenen Ethikmodellen ableiten lassen:

  1. 1. Menschenwürde & Pflichtethik (nach Kant)

    Der Mensch ist Zweck an sich – nicht bloßes Mittel staatlicher Sicherheitslogik. Wenn KI-Systeme Menschen algorithmisch bewerten oder verdachtsunabhängig erfassen, verletzt dies die Selbstzwecklichkeit des Subjekts. Ein solches Vorgehen untergräbt die Idee einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung.

  2. 2. Gerechtigkeit als Fairness (nach Rawls)

    Eine Maßnahme gilt nur dann als gerecht, wenn sie aus der Perspektive des „Schleiers des Nichtwissens“ für alle akzeptabel wäre. Systeme, die unbewusst diskriminieren – etwa durch verzerrte Trainingsdaten oder strukturelle Bias –, widersprechen diesem Grundsatz.

  3. 3. Gerechte Selbstbehauptung

    Sicherheitspolitik darf nicht auf Entmündigung beruhen. Der öffentliche Raum muss ein Ort sozialer Teilhabe bleiben. Bürger:innen brauchen Schutz ohne pauschale Verdächtigung – und dürfen nicht durch Technik zum Objekt stiller Kontrolle degradiert werden.

  4. 4. Verantwortung des technischen Willens

    KI-Systeme sind Ausdruck menschlicher Entscheidungen – über Trainingsdaten, Zielgrößen und Schwellenwerte. Wer sie entwickelt oder einsetzt, trägt Verantwortung für deren gesellschaftliche Wirkung. Technologische Macht muss normativ gebunden bleiben.

Die ethische Bewertung verlangt mehr als rechtliche Konformität. Sie verlangt moralische Rechenschaft: für das, was Systeme tun – nicht nur für das, was sie ermöglichen.

Rechtlicher Rahmen und staatliche Verantwortung

Der Einsatz KI-gestützter Überwachungssysteme an öffentlichen Orten wie Bahnhöfen stellt eine erhebliche Ausweitung staatlicher Eingriffsbefugnisse dar. Dabei ist zu prüfen, ob und wie solche Maßnahmen mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen, europarechtlichen Vorgaben und dem demokratischen Selbstverständnis in Einklang stehen.

Grundrechtliche Schutzgüter

Verhältnismäßigkeit und Gesetzesvorbehalt

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf kein Grundrechtseingriff ohne gesetzliche Grundlage erfolgen. Zudem müssen Eingriffe geeignet, erforderlich und angemessen sein. Symbolpolitik zur Beruhigung öffentlicher Debatten ist keine rechtlich tragfähige Grundlage.

Rechtsstaatliche Mindestanforderungen:

Demokratische Kontrolle und politische Verantwortung

Die Einführung von Überwachungstechnologien darf nicht im technokratischen Schatten vollzogen werden. Vielmehr ist eine breit legitimierte politische Entscheidung notwendig – mitsamt öffentlicher Debatte, parlamentarischer Kontrolle und unabhängiger Evaluation.

Der demokratische Rechtsstaat lebt vom Grundsatz: Kein Eingriff ohne Rechtfertigung – keine Technologie ohne Transparenz.

Technologische Realität – Was kann KI wirklich?

Die Hoffnung, dass Künstliche Intelligenz gesellschaftliche Probleme wie Gewalt, Kriminalität oder Unsicherheit lösen könne, beruht oft auf überhöhten Erwartungen. In der Realität zeigt sich: KI ist kein neutraler Orakelmechanismus, sondern ein produkt menschlicher Entscheidungen – mit Stärken, Schwächen und systemischen Verzerrungen.

Wie funktioniert KI-gestützte Überwachung?

Systeme zur intelligenten Videoanalyse kombinieren Kameraaufnahmen mit Algorithmen zur Verhaltensmustererkennung, Personenzählung, Objekterkennung oder Bewegungsanalyse. In Echtzeit wird versucht, „auffällige“ Muster zu identifizieren – z. B. rennende Personen, ungewöhnliches Stehenbleiben, Verlassen von Gepäckstücken oder Nähe zu „gefährdeten Zonen“.

Grenzen der KI in sicherheitskritischen Kontexten

Der Einsatz in Bahnhöfen, Flughäfen oder anderen öffentlichen Räumen wirft spezifische Probleme auf:

Der kritische Blick auf die technologischen Voraussetzungen ist kein Pessimismus, sondern Voraussetzung verantwortungsvoller Gestaltung. Denn: Wo KI versagt, übernimmt oft kein Mensch die Verantwortung.

Alternative Strategien zur Sicherheit im öffentlichen Raum

Sicherheit muss nicht zwangsläufig durch technologische Kontrolle hergestellt werden. Eine reflektierte Sicherheitsstrategie beruht auf Vertrauen, Präsenz und sozialer Verantwortung – nicht auf permanenter Überwachung. Dieser Abschnitt stellt alternative Maßnahmen vor, die effektiver, menschenfreundlicher und demokratiekonformer sind.

1. Präsenzbasierte Gefahrenprävention

2. Soziale Architektur & Prävention

3. Dezentralisierung & Selbstermächtigung

Wer Sicherheit ernst meint, muss den Menschen ernst nehmen – als Subjekt mit Urteilskraft, als Mitgestalter urbaner Lebensräume und als Partner in der Prävention. Technologische Systeme können unterstützen – aber sie ersetzen kein Vertrauen.

Vertrauensbildung & Dialog im öffentlichen Raum

Vertrauen

1. Bürgerbeteiligung als Sicherheitsfaktor

2. Transparenz als Grundbedingung für Vertrauen

3. Sicherheit als soziale Beziehung

Der öffentliche Raum ist nicht nur Verkehrsfläche, sondern sozialer Resonanzraum. Vertrauen ist dort nicht Beiwerk, sondern Voraussetzung. Eine vorausschauende Sicherheitspolitik baut Brücken der Verantwortung, keine Festungen der Kontrolle.

Fazit & Ausblick: Weichenstellungen für eine gerechte Sicherheitskultur

Die Diskussion um KI-gestützte Überwachung am Hamburger Hauptbahnhof ist mehr als eine Reaktion auf ein tragisches Einzelfallereignis – sie ist ein Stresstest für den demokratischen Rechtsstaat. Technik darf niemals Selbstzweck sein, sondern muss sich stets an den Maßstäben von Würde, Verantwortung und Transparenz messen lassen.

Grundsatz: Nicht das Vorhandensein von Technologie entscheidet über ihren Einsatz, sondern ihre ethische und rechtsstaatliche Legitimation.

Leitlinien für eine verantwortungsvolle Sicherheitsarchitektur

Die eigentliche Entscheidung ist nicht technischer, sondern gesellschaftspolitischer Natur: Wollen wir eine Öffentlichkeit, die von Prävention durch Vertrauen lebt – oder von Prognose durch Kontrolle?

Weichenstellung: Sicherheitspolitik im KI-Zeitalter darf nicht durch Angst, sondern muss durch verantwortete Freiheit geprägt sein.

Diese Webseite ist ein Beitrag zur kritischen Aufklärung. Sie lädt ein zum Mitdenken, Mitreden – und zum Eintreten für eine Sicherheitskultur, die nicht misst, sondern achtet. Denn die wichtigste Infrastruktur unserer Demokratie ist das gegenseitige Vertrauen.

Literatur & Quellen

Zusammenfassung: Die genannten Quellen schaffen ein umfassendes Verständnis der ethischen, rechtlichen und gesellschaftspolitischen Implikationen beim Einsatz von KI-Systemen zur Überwachung. Sie bilden die Grundlage für die kritische Reflexion und Argumentation dieses Artikels zur Balance zwischen Sicherheit, Freiheit und Verantwortung.

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